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Diversity-Infothek

 

Hubert Kuhn

Hubert Kuhn, geb. 1963, ist Trainer für Gruppendynamik DGGO, Supervisor DGSv, Systemischer Berater SG und Mitglied von TOPS München-Berlin e.V. Seit 2000 arbeitet er freiberuflich als Trainer und Berater mit der Leit-Idee, Effizienz und Menschlichkeit zu integrieren in Organisationen und Teams.

Veröffentlichungen u.a. zu Team-Leistung, group diversity und Konfliktlösung Arbeitssprachen: deutsch, englisch

Schwerpunkte: Organisationsberatung / Change Management, (interkulturelle) Team-Entwicklung und Führungskräfte-Training und -Beratung.

idm-Mitglied seit 2009

Interkulturelle Kompetenz entwickeln in gruppendynamischen Trainings

von Hubert Kuhn

 

Dieser Beitrag untersucht, inwiefern interkulturelle Kompetenz mit gruppendynamischen Trainings entwickelt werden kann. Interessant ist dabei sowohl, was in einem gruppendynamischen Training individuell hinsichtlich unterschiedlicher Kulturen, als auch was hinsichtlich der Arbeit mit gemischt-kulturellen Teams gelernt werden kann. Nach notwendigen theoretisch-konzeptionellen Klärungen rücken zwei gruppendynamische Trainings als empirische Basis dieser Untersuchung in den Fokus. Methoden und einzelne interessante Situationen werden genauer beschrieben, um die Arbeitsform eines gruppendynamischen Training vorstellbar zu machen. Die lange Tradition der Gruppendynamik mit interkulturellen Fragen geriet leider in Vergessenheit und sollte - auch aufgrund der Erfahrungen dieser Trainings - wieder belebt werden.

 

1. Kultur und interkulturelles Lernen

 

1.1 Was wird unter Kultur verstanden?

Wenn von "Multi-kulturellen Teams" gesprochen wird, ist das in der gängigen Vorstellung ein Team, in dem mehrere Personen aus unterschiedlichen Ländern oder ethnischen Kulturkreisen zusammenarbeiten. Paulina Jedrzejczyk definiert ein multikulturelles Team, als eines mit Vertretern von drei oder mehreren Kulturen, bei denen fast jedes Mitglied eine andere kulturelle Herkunft aufweist (vgl. Jedrzejczyk 2007, 258). Kultur aber mit nationalstaatlich geprägter Kultur ("die Franzosen, die Engländer, Amerikaner, Russen" usw.) gleichzusetzen, kann jedoch hinterfragt werden. Shingo Shimada erklärt dieses Phänomen aus der Entstehung der europäischen Moderne. Konstitutiv dafür hält er, dass die Entfremdungsprozesse im Gefolge der industriellen Revolution die Konstruktion einer kollektiven Identität zur Folge hatte und zwar in doppelter Hinsicht. Einerseits wird der Westen zur Moderne und andererseits wird die Nation zur Grundlage der kollektiven Identifikation. Damit entsteht die Vorstellung, dass jede nationalstaatlich verfasste Nation eine eigenständige Kultur besitze. Für Kommunikation und Verständigung vermittelt dies die Illusion, innerhalb der Nation bestehe ein gemeinsam geteilter Rahmen, in dem man sich ohne Probleme verständigen könne. Das Fremde, Andersartige liege außerhalb dieses geteilten Rahmens und deswegen könne man sich mit anderen Kulturen, die den gemeinsamen Rahmen nicht teilen, grundsätzlich nicht, beziehungsweise nur schwer verstehen (vgl. auch Jakubeit/ Schattenhofer 1996). Verständigung und Fremdheit stellt für Shimada demgegenüber ein allgemeines Phänomen dar, in dem Interkulturalität nur eine untergeordnete Rolle spiele.

Die Idee der Homogenisierung der modernen Gesellschaft mit der damit verbundenen Projektion des Fremden nach außen, hat in unterschiedlichen Disziplinen breite Resonanz gefunden, z.B. der Soziologie oder der Ethnopsychoanalyse.

Wie auch Peter Döge setze ich hier Kultur nicht mit Nation gleich, sondern verstehe sie in einem weiteren Sinne als Lebensmuster (vgl. Döge 2008, 35ff.). Die Lebensmuster sind eingebettet in Organisationen, bzw. Organisationskulturen, die sich wiederum im übergeordneten Rahmen einer Population befinden. Diesen Zusammenhang zeigt folgende Grafik:

 

Abb. 1

 

Kultur versteht er in Anlehnung an Schein als kollektive oder Gruppeneigenschaft, die drei Ebenen umfasst:

Das gemeinsame Ziel der unterschiedlichen Kulturen liege laut Döge darin, verbindliche Lösungsmuster für allgemein menschliche Grundprobleme zu finden. Zu diesen Grundproblemen oder Kulturdimensionen zählen das Verhältnis Mensch-Umwelt, Mensch-Mensch, Mensch-Universum sowie das Verhältnis zur Zeit. Innerhalb dieser Kulturdimensionen lassen sich große Unterschiede feststellen, wie die jeweiligen Fragen im Laufe der historischen Entwicklung gelöst wurden.

Ein weiteres allgemeines Phänomen von Kultur, das in vielen Völkern und Zeiten beobachtet werden kann, ist, dass gesellschaftlich und in Organisationen geregelt wird, wer sich materielle wie immaterielle Ressourcen aneignen kann.

Döge nennt diesen Prozess "Hierarchisierung von Differenz" und beschreibt ihn folgendermaßen: Einer Ingroup wird eine Outgroup gegenübergestellt, die in der Regel die Minderheit bildet. Das muss jedoch keine quantitative Minderheit sein (Bsp. Apartheid Südafrika). Die vermeintliche Mehrheit bildet immer das Normale, der das Fremde gegenübergestellt wird. Jede Organisationskultur beinhaltet eine "Normalitätskultur", ein im Sinne Foucaults hegemoniales Leitbild des Normalen.

 

Abb. 2

 

Birgit Rommelspacher bezeichnet Kulturen, die Unterschiedlichkeit nach dem beschriebenen Muster hierarchisieren als "Dominanzkulturen" (vgl. Rommelspacher 1998). Ein integraler Bestandteil von Dominanzkulturen ist Ethnozentrismus - "unsere Gruppe ist die beste" sowie Fremdenfeindlichkeit. Die menschliche körperlich-biologische und sozialkulturelle Unterschiedlichkeit, die an sich wertneutral sein könnte, erfährt durch den gesellschaftlichen Kontext ihre soziale Wirkung. Zum Beispiel ist die soziale Herkunft das entscheidende Merkmal bei der Besetzung von Leitungsfunktionen nicht nur in Profit-Organisationen. Top-Manager stammen überwiegend aus dem Großbürgertum (Hartmann 2002) und kommen kaum aus nicht-westlichen Kulturen.

Der hier wirksame Mechanismus kann als Hierarchisierung und Stereotypisierung beschreiben werden:

 

Abb. 3

 

Wie Kultur individuell verstanden wird und welche Bedeutung sie auf der persönlichen Ebene entfaltet, beeinflusst wesentlich der soziale, gesellschaftliche Kontext.

 

1.2. Wie kann interkulturelle Kompetenz gelernt werden?

Vor dem Hintergrund einer sich globalisierenden Welt, arbeiten zunehmend mehr Menschen aus unterschiedlichen nationalen Kulturen zusammen. Entsprechend wächst der Bedarf an interkulturellem Lernen und damit auch das Angebot an inter-kulturellen Trainings.

Jonas Puck unterscheidet interkulturelle Trainings nach ihren Trainingsmethoden (vgl. Puck 2007, 82).

 

Abb. 4

 

Die meisten interkulturellen Trainings sind kulturspezifisch ausgerichtet ("verhandeln mit Russen/ Chinesen/ Arabern"...) und finden mit monokulturellen Gruppen statt (vgl. Bürger 2008, 193). Dabei wird länder- und kulturspezifisches Wissen über Vorträge oder Medien vermittelt, zusammen mit tauglichen bzw. untauglichen Strategien, mit kritischen Situationen umzugehen.

Kultur wird hier überwiegend als (ethnische) Herkunftskultur und als das wesentliche Differenzierungsmerkmal verstanden.

Ein gängiges Modell für die Ebenen und das Ziel eines interkulturellen Trainings ist (vgl. Zülch 2005, 46ff.):

 

Abb. 5

 

Die erste Ebene als Ausgangssituation ist gekennzeichnet von der Ausrichtung an der eigenen Kultur, die als höher und besser bewertet wird als Fremdkulturelles. Die zweite Ebene beginnt mit dem Bewusstmachen und Bewusstwerden von kulturellen Unterschieden. Der Übergang zwischen diesen beiden Ebenen fordert vom Akteur zum ersten Mal eine bewusste Auseinandersetzung mit Fremdkulturellem. Dies bezeichnen die Autoren als eine erste Hürde im Prozess des interkulturellen Lernens. An das Bewusstwerden kultureller Unterschiede schließt als dritte Ebene deren Verstehen an. Die Ebenen zwei und drei sind der kognitiven Dimension interkultureller Kompetenz zuzurechnen. Der Übergang zur vierten Ebene stellt die zweite Hürde dar, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der durchlaufene kognitive Prozess in einen affektiven Prozess überführt wird: Kennzeichen der vierten Ebene ist Respekt und Akzeptanz für die fremde Kultur. Dies ist Grundlage für eine Bewertung der anderen Kultur, die im positiven Sinne in einer Wertschätzung endet.

Die angestrebte interkulturelle Kompetenz soll sich auf alle drei Bereiche erstrecken: kognitiv, affektiv und verhaltensbezogen. Allerdings wird hier kritisiert, dass es sich meist um eine Kombination des "best of all" der drei Bereiche handelt, ohne dass sich die Methoden wechselseitig durchdringen würden (vgl. Bolten 2007, 22ff.). Nachdem im Alltag ein der Situation angemessenes Handeln sozusagen als synergetisches Produkt der Teilbereiche gefordert ist, wäre ein prozessualer Begriff interkultureller Kompetenz im Sinne von lat.: competere = zusammenbringen sinnvoll (vgl. Bolten 2007, 22ff.). Dabei wird interkulturelle Kompetenz als ein auf die Anwendung bezogener Spezialfall einer allgemeinen (sozialen) Handlungskompetenz gesehen.

Bedeutsam auch im Hinblick auf die Grenzen für interkulturelles Lernen ist, dass soziale Kompetenzen vorhanden sind wie Offenheit, Flexibilität, Kooperationsbereitschaft sowie Interaktionsfreudigkeit. Martin Zülch pointiert es so: "Wer es am wenigsten braucht, hat am meisten davon" (Zülch 2005, 72).

Die meisten interkulturellen Trainingskonzepte sind individualistisch ausgerichtet. Die Gruppe spielt keine Rolle oder dient nur als Mittel, um z.B. Rollenspiele durchzuführen.

Zusammenfassend kommt Jonas Puck zu dem Schluss, dass bei multikulturell gemischten Teams, eine (gruppenorientierte) Teamentwicklung sinnvoll, weil nachweisbar leistungsfördernd, sei (vgl. Puck 2007, 127ff.).

(...)

 

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