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Diversity-Infothek

 

Bartholomäus J. Matuko

Bartholomäus J. Matuko, Dipl. Sozialwirt, BA (Hons) in Business Studies, Heilpädagoge, Heilerziehungspfleger. Er ist in Masuren (PL) geboren und aufgewachsen, lebt seit 20 Jahren in D, verbrachte 1,5 Jahre in Irland und Schottland und ist nun in Hamburg wohnhaft.

Derzeit ist er Doktorand an der Universität Duisburg-Essen (Thema "Diversity Management in der Higher Education"), Lehrbeauftragter und Autor an der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft Bremen (Schwerpunkt "Diversity Management im Gesundheitswesen" im Aufbau, Marketing/Healthmarketing) sowie freier Dozent & Coach an der RACKOW-Akademie Hamburg (Schwerpunkt Existenzgründung)

Schwerpunkte: DiM an Schulen, Hochschulen und im Gesundheitswesen, in sozialen Einrichtungen, Systemisches Diversity Management (SDiM)

idm-Mitglied seit 2009

Diversity Management als Zukunftsaufgabe der Hochschulen. Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven im internationalen Vergleich

von Bartholomäus J. Matuko

 

Das Dissertations-Projekt wird seit Sommer 2009 an der Universität Duisburg-Essen im Fachbereich Bildungswissenschaften durchgeführt und von Prof. Dr. Ute Klammer (erstes Prorektorat für DiM im deutschsprachigen Raum) betreut.

Meine Vorarbeiten und -kenntnisse, insb. meine beiden Abschlussarbeiten: Eine Honours-Dissertation im Studiengang Business Studies in der Dundee Business School (DBS) an der University of Abertay Dundee im April 2008 mit dem Titel: "Diversity Management in Universities in the United Kingdom: Case Studies. From Origin and Development to Status Quo and Good Practice Examples", meine Diplomarbeit im Studiengang Sozialmanagement an der HS Niederrhein in Mönchengladbach im Februar 2009 mit dem Titel: "Diversity Management an Hochschulen – Modelle und Perspektiven" und meine eigenen Erfahrungen (Erlebtes Diversity Management an der University of Abertay Dundee aus meiner Sicht als Student) tragen zu meiner Dissertation bei und waren ausschlaggebend für den Entschluss, mich weiter mit dem Thema zu beschäftigen und die Dissertation zu verfassen.

 

Einführung und Begriffsklärung

Diskriminierungs- und benachteiligungsfreies Zusammenleben und -arbeiten unterschiedlicher Menschen und Kulturen in einzelnen Staaten, Städten und Organisationen steht verstärkt auf der politischen Agenda. In Deutschland ist das Thema unter Begriffen wie Chancengleichheit, Antidiskriminierung, Gleichbehandlung, Inklusion aber auch zunehmend unter Diversity, Vielfalt der Menschen, der Belegschaft oder Diversity Management bekannt.

Beim Thema Diversity und Diversity Management handelt es sich um nachfolgend dargestellte Diversity-Merkmale. Es bezieht einen Teil der Merkmale und Charakteristiken von Menschen in der Gesellschaft mit ein, die auf diese Merkmale keinen oder kaum Einfluss haben, sich aber auf das Arbeits- und Studierendenleben, wie auf den Zugang zur Bildung oder zum Arbeitsplatz auswirken (können). Die Diversity-Hauptmerkmale sind: Geschlecht, Alter/Generation, Ethnie/"Rasse"/Hautfarbe (Schwerpunkte USA, GB), Migrationshintergrund/Nationalität (Schwerpunkt D), Religion und Weltanschauung, Behinderung/Beeinträchtigung, Gesundheitszustand, sexuelle Orientierung und Lebensform. Ferner kommen weitere äußere Merkmale wie Familienstand/Elternschaftstatus, soziale und sozioökonomische Herkunft/Erziehungs- und Bildungshintergrund, Einkommen (auch der Familie/Eltern), finanzieller Status, sowie Hochschulzugangsberechtigung und regionale Herkunft hinzu.

 

Das Zwei-Perspektiven-Modell; die horizontale und vertikale Perspektive auf Diversity

Fakt ist, dass nicht nur Deutschland sondern alle Organisationstypen und auch Hochschulen zunehmend diverser werden. DiM wird dann ideal ausgeführt, wenn die Merkmale in ihrer Kombination in den Fokus der Entscheidungsträger, einzelner Stakeholder (u.a. Studentenwerke, christliche Student/innen-Gemeinden), Kostenträger und HS-Gesetzgeber (insb. Landesregierungen), der einzelnen Hochschulen und deren Entscheidungsträger genommen werden und dort bleiben.

Beim nachfolgenden Modell handelt es sich um ein neues Modell (nach Matuko): Das "Zwei-Perspektiven-Modell"; die horizontale und vertikale Sichtweise und Perspektive auf Diversity mit einzelnen inklusionsfähigen Diversity-Hauptmerkmalen. Dieses Modell soll den Zugang zum Thema vereinfachen und die Diversity-Komplexität auf die wesentlichen Diversity-Merkmale reduzieren. Die im Folgenden aufgezeigten Perspektiven, mit denen hier auf DiM geblickt wird, veranschaulichen die Schwerpunkte des DiM im weltweiten Higher Education System.

 

Figure 1

 

Bei der vertikalen Perspektive geht es um die Sichtweise auf einzelne Menschen, Gruppen und Minderheiten mit den genannten D-Merkmalen. Für zwei Diversity-Merkmale existieren gesetzliche Vorschriften, die bereits intern beachtet werden müssen und sich z.B. um Geschlechtergleichstellung (Frauenbeauftragte) und Menschen/Student/innen mit Behinderungen (Behindertenbeauftragte) in einer Hochschule "kümmern".

Bei der horizontalen Perspektive handelt es sich um eine Perspektive, die alle D-Merkmale einbezieht und die Hochschule bzw. die Belegschaft der Hochschulen und deren Entscheidungsträger (Top-Management einer Hochschule), Entscheidungs- und Kostenträger (zuständige Länderregierungen) für alle einzelnen Kunden(Gruppen) u.a. durch Marketing-Initiativen und Diversity-Maßnahmen anbietet, die ganze Vielfalt/Diversity anerkennt, den Zugang zur Bildung – nach dem Motto "Bildung für Alle" – ermöglicht und als Ressource sieht, nutzt und erfolgreich managt. Kurz gesagt: Die Vision und das Fernziel von DiM ist der allmähliche Übergang von der vertikalen zur horizontalen Perspektive.

 

Diversity Management an Hochschulen

Diversity Management (DiM), als Managementansatz und -strategie (aus den USA stammend) verspricht in erwerbs- und bedarfswirtschaftlich ausgerichteten Unternehmen und an großen Universitäten, insbesondere in der englischsprachigen Higher Education, bereits heute zahlreiche Vorteile: Als Konzept, das u.a. impliziert, demographischen Entwicklungen und bevorstehendem Studenten- und Mitarbeitermangel entgegenzuwirken, verfolgt DiM das Ziel, die "besten Köpfe" des sogenannten "War for Talents" auf internationaler Ebene, sowie aus nicht-traditionellen bzw. schwer erreichbaren Zielgruppen, anzuwerben (Diversity-Marketing und widening participation-Ansatz) und zu rekrutieren. Darüber hinaus soll die Vielfalt (Diversity) an sich als Ressource erkannt und in einem weiteren Schritt langfristig an der jeweiligen Hochschule etabliert werden. Weiterhin stellt es eine Senkung der Abbruchquoten von Studierenden in Aussicht – ein Problem, das gerade im Zuge der Bologna-Prozesse verstärkt diskutiert wird. Ein Fernziel ist ebenfalls die Vorbereitung auf den Umgang mit der Vielfalt der Gesellschaft/Kundschaft und insbesondere, um die Erwartungen der (zukünftigen) "Abnehmer" der Absolventen, die zunehmend auf die Karte Diversity setzen, ebenfalls effizient zu erfüllen.

An Hochschulen (HS), vorwiegend in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und Großbritannien (GB) wird das Thema Diversity und DiM schon seit langem als Ansatz verfolgt, diskutiert und gewinnt Stück für Stück auch an HS im deutschsprachigen Raum an Bedeutung.

 

Die "Schablone des Ideals" und die Transformation von "Monoversity" zur "Multiversity"

Cox (Cox 1991) beschreibt drei Organisationsformen: the monolithic [oder monocultural] organization, the plural organization und the multicultural organization. Hier werden die Begriffe "Monoversity" und "Multiversity" anstatt der Mono- und Multikultur verwendet. Ein Hauptziel von DiM aus Sicht einer Hochschule bedeutet die Transformation von einer Monoversity über der pluralen University zu einer Multiversity zu werden. Das Modell der Multiversity kann in diesem Zusammenhang als Ziel und als eine "Schablone des Ideals" gesehen werden. Das nachfolgende Modell ist in Anlehnung an Cox und wurde auf die Hochschulen transformiert.

 

Figure 2

 

 

Ziele der Dissertation

Das Dissertationsvorhaben verfolgt u.a. das Ziel, anhand des Gesamtkonzepts Diversity und DiM umfassend zu untersuchen, wie es HS im deutschsprachigen Raum im Vergleich zu HS im angloamerikanischen und angelsächsischen Raum gelingen kann, die gesellschaftliche Vielfalt an ihren HS widerzuspiegeln und die vorhandenen Bildungspotenziale zu heben und gezielt einzusetzen. Weiterhin soll gezeigt werden, inwieweit die Vielfalt als wertvolle Ressource im deutschen Hochschulwesen zu nutzen ist, um damit im internationalen Vergleich mithalten zu können.

Die Dissertation wird sowohl theoretische als auch praktische Relevanz haben. Allgemeine, für die Hochschullandschaft spezifische theoretische Modelle, Grundlagen, Konzepte und Überlegungen zu Diversity und DiM, die vorwiegend in den USA vorzufinden sind, sollen untersucht, in den deutschsprachigen Raum überführt, auf die HS modifiziert, auf ihre Anwendbarkeit hin überprüft und ggf. weiterentwickelt werden. Vorhandene Untersuchungen zu DiM werden kritisch betrachtet und diskutiert. Die Studie wird ebenfalls praktische Empfehlungen und Modelle untersuchen und präsentieren, um so Möglichkeiten des Benchmarkings zu bieten und durch den internationalen Vergleich Handlungsanregungen, insbesondere für Hochschulleitungen sowie weitere Stakeholder wie Kosten- und Entscheidungsträger und Gesetzgeber (z.B. Landesregierungen) und weitere Organisationen außerhalb der Hochschulen (z.B. Studentenwerke, katholische und evangelische Studentengemeinden), darzubieten.

Das Dissertationsvorhaben geht von einem jetzigen und einem zukünftigen Problem aus. Erstens: Die heutigen Studienabbruchquoten sind hoch und DiM verspricht hier eine deutliche Senkung. Zweitens: Die Studierendenzahlen sinken mittelfristig, nachdem der Ansturm von Studierenden, die im Rahmen der Schulzeitverkürzung in den kommenden Jahren ihre akademische Laufbahn beendet haben werden, zurückgegangen sein wird und sich die HS in Deutschland um die Gewinnung neuer und insbesondere nicht-traditioneller Studierender bemühen müssen. Der demographische Wandel erschwert langfristig auch die Besetzung der Belegschaft der HS. Maßnahmen und Initiativen, um auf sich als HS aufmerksam zu machen, um Student/innen und Mitarbeiter/innen anzuwerben, zu rekrutieren und an sich zu binden (u.a. Outreach-Programme), werden zukünftig von noch größerer Bedeutung sein. Weitere Gründe für den Einsatz von DiM sind, neben der ökonomischen Relevanz, die Internationalisierung und Europäisierung (insbesondere der Bologna-Prozess), wachsende Anforderungen der internen und externen Stakeholder, hochschulpolitische Entwicklungen, aber auch gesetzliche und institutionelle Rahmenbedingungen.

In der Dissertation sollen theoretische Modelle und Definitionen (vorwiegend aus den USA) von Diversity und DiM dargestellt, kritisch betrachtet, auf die Anwendbarkeit hin überprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt werden. Zudem soll diese Arbeit kritisch beleuchten, ob DiM nur ein Etikett ist, welches einer neuen Modewelle unterworfen ist oder tatsächlich die Produktivität der HS erhöht. Die Dissertation wird die Ursprünge des DiM in den USA aufgreifen und die grundlegende Forschungsliteratur der Pioniere des englischsprachigen und deutschen Raumes untersuchen, um somit theoretische und praktische Grundlagen zu schaffen, die wiederum die Diskussion und weitere Forschungen an den Hochschulen vorantreiben soll. Zudem sollen für HS und deren Leitung, aber auch für die zuständigen Landesministerien und weiteren Organisationen im Hochschulwesen und DiM Handlungsanregungen und eine -anleitung geboten werden.

 

Derzeitige Entwicklungen und Trends

Momentane Entwicklungen deuten darauf hin, dass Diversity als Thematik langsam in die deutsche Hochschullandschaft "überschwappt". Die Aktualität des Themas und der Entwicklungstrend werden gegenwärtig beispielsweise durch die Berufung des ersten Prorektorats für DiM an der Universität Duisburg-Essen (UDE) bestärkt und durch die ersten entstehenden Modelle an Universitäten. Es scheint, als ob DiM durch Vorreiter wie die UDE, die Rheinisch-Westfälisch-Technische Hochschule Aachen (RWTH) oder die Universität Wien zum Trend in der deutschsprachigen Hochschullandschaft avanciert, der sich an großen Universitäten im Ausland orientiert. Hier wird bereits das erste, für DiM zuständige Personal eingesetzt und die ersten Konzepte erstellt, die zukünftige good- and best-practice-Modelle darstellen. Die ersten Schritte des Benchmarkings, um im internationalen Vergleich und Wettbewerb mithalten zu können, sind bereits zu beobachten. In Deutschland unterstützt und fördert die Exzellenzinitiative und der Exzellenzwettbewerb die weiteren Entwicklungen.

 

Verantwortlichkeiten für Diversity Management in der Higher Education

Vorwiegend in erwerbswirtschaftlichen Unternehmen gibt es die sogenannten Diversity-Manager. Im Hochschulwesen in den USA werden zunehmend Chief Diversity Officer (CDO) eingestellt. Bereits an über 80 Universitäten wurden die Vorteile einer solchen Stelle erkannt und entsprechende Stellen geschaffen. Aufgaben sind hier u.a. die Herstellung von mehr Diversity-Kultur auf dem Campus für StudentInnen, Lehrkörper und MitarbeiterInnen. Oft gibt es auch direkte Verantwortliche, die in der Leitung angesiedelt sind, wie z.B. der Vice Provost for Faculty Diversity oder beratend Tätige wie die Cancellor´s Advisory Group on Diversity oder The Office for Diversity & Development wie sie z.B. an der University of California in Los Angeles vorzufinden sind.

An Universitäten in GB sind neben der verantwortlichen Leitung für die Umsetzung von Equality & Diversity Standards weitere zuständige Stellen entstanden wie Equality and Diversity officer oder advisor oder sogar ganze Abteilungen für Equality and Diversity. Die Verantwortung für die Implementierung und Umsetzung liegt bei der Leitung der HS, z.B. beim Board of Governors/Vice-Chancellors wie beispielsweise an der University of Cambridge, der Heriot-Watt University in Edinburgh (SCO) oder der University of Dundee (SCO). Solche Institutionen, Abteilungen und Verantwortungsbereiche sind an Universitäten in GB heute Standard. Einer der erwähnenswerten Best Practices im Bereich Widening Partizipation ist das Widening Partizipation Department der University of Plymouth.

Das gesamte Thema Diversity und DiM an den HS steht hierzulande im Anfangsstadium, weswegen sich die Studie in ihrer umfassenden Betrachtung auf einem neuen und im deutschsprachigen Raum bislang unerforschten Feld bewegt. Die Dissertation ist die erste im deutschsprachigen Raum, wird sozusagen eine Pionierleistung sein und soll eine Grundlage für weitere Diversity-Forschungen im hiesigen Bildungssystem schaffen. Dafür wird sie einen ersten wissenschaftlich fundierten Beitrag zu Entwicklungen des DiM im Hochschulkontext des deutschsprachigen Raumes leisten. Ein weiterführendes Ziel ist, die Diskussion an den HS voranzutreiben, grundlegende Theorien und Begriffe zu überführen und einen Ausblick für Weiterentwicklung und Perspektiven aufzuzeigen.

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