logo

English Site Sie sind hier:  Home  >  Diversity-Infothek  >  Charta der Vielfalt

Diversity-Infothek

 

Hans Jablonski

Hans W. Jablonski ist Berater und Geschäftsführer von jbd und ist für Unternehmen weltweit mit dem Schwerpunkt Diversity- und Change Management tätig. Er verfügt über 16 Jahre Erfahrungen im Bereich der Personal- und Organisationsentwicklung. Er war in Unternehmen unterschiedlichster Branchen (Automobil, Industrie, Chemie, Banken) u.a. als Führungskraft tätig und kennt daher die (Führungs-)Praxis in international tätigen Unternehmen. Hans Jablonski war der erste Diversity Manager in Deutschland, ist Mitinitiator der Unternehmensinitiative "Charta der Vielfalt" und gilt als ausgewiesener Experte zu seinen Themen. Zahlreiche Veröffentlichungen und Interviewbeiträge.

Schwerpunkte: Themen der Personal- und Organisationsentwicklung insbesondere in den Bereichen Diversity & Change Management, Führungskräfteentwicklung und Coaching. Seine Schlüsselkompetenzen liegen in der Unterstützung der nachhaltigen Umsetzung von Diversity Management.

idm-Mitglied seit 2007

Die "Charta der Vielfalt der Unternehmen in Deutschland" - Erfolgsmodell oder Lippenbekenntnis?

von Hans Jablonski

 

Im Dezember 2006, als die "Charta der Vielfalt" aus der Taufe gehoben wurde, wusste noch niemand, wie sich die Charta entwickeln wird. Es war unklar, wie viele Unternehmen für das in der deutschen Wirtschaft relativ neue Thema "Vielfalt" Interesse zeigen werden und wie sich die Zahl der Unterzeichnenden entwickeln würde. Eine Einschätzung der Gründungsunternehmen war, das bis zum Ende 2007 circa 100 bis 150 Unternehmen unterschrieben haben würden.

Noch mal zur Erinnerung: Mit der Unterzeichnung der Charta verpflichten sich Unternehmen, eine Unternehmenskultur zu pflegen, die auf der Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt in der Belegschaft, bei der Kundschaft und unter den Geschäftspartnern basiert. Es geht dabei um die Schaffung eines Arbeitsumfeldes, das frei von Vorurteilen ist. Es geht darum, das sich die Menschen in unseren Unternehmen gegenseitig wertschätzend behandeln, unabhängig vom Geschlecht, ethnischer Herkunft, Nationalität, Religion oder Weltanschauung, von Behinderung, Alter und sexueller Orientierung bzw. Identität oder anderer definierter Merkmale. Wichtig ist hierbei der breite Ansatz von Vielfalt und Wertschätzung, da dieser den Schlüssel zum Erfolg darstellt.

Tatsächlich hatten bis Ende 2007 über 150 Unternehmen die Charta der Vielfalt unterzeichnet und bis Mitte 2008 waren es sogar über 300 Unternehmen, mit denen mehr als 1,1 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfasst werden. Von daher wurden die Erwartungen im ersten Jahr übertroffen und im Jahr 2008 entwickelt sich die Zahl der Unterzeichner beachtlich.

Aber ist die Charta wirklich ein Erfolgsmodell? Kritische Stimmen sagen, das manche Unternehmen die Charta aus Gründen des öffentlichen Image unterzeichnet haben und auf einer Modewelle mitschwimmen und sich weiter nichts ändern würde. Das die Charta auch einen Image Gewinn für Unternehmen hat und auch haben soll, ist unbestritten. Aber ist das Image der einzige Grund für Unternehmen die Charta zu unterzeichen? Oder was sind die Beweggründe, die Unternehmen haben? Grund genug hinzusehen, was es mit den Charta Unterzeichnern auf sich hat und inwieweit die Charta als Erfolg gefeiert werden kann.

Hinsichtlich der großen Zahl der Unterzeichner ist die Charta sicherlich als ein Erfolg zu sehen. Es ist überwältigend, das es in relativ kurzer Zeit so viele Unternehmen bewogen hat, die Charta zu unterzeichnen und sich damit öffentlich dem Thema "Vielfalt und Wertschätzung" zu verpflichten. Darüber hinaus ist anzuerkennen, das sich so viele Unternehmerinnen und Unternehmern mit dem Thema "Vielfalt" auseinandergesetzt haben und als Erfolgsfaktor entdeckt haben, um sich im nationalen und internationalen Wettbewerb abzuheben. Im Rahmen dieses Prozesses hat sich die Charta nicht nur bei Grossunternehmen etabliert, sonder ist auch von Mittelständischen und Kleinunternehmen aufgegriffen und umgesetzt worden. Sogar öffentliche Arbeitgeber und andere Institutionen finden sich als Arbeitgeber in der Charta wieder und haben unterzeichnet. Diese breite Auseinandersetzung und Überzeugung vom Thema "Vielfalt und Wertschätzung" in Deutschland ist als ein voller Erfolg zu bewerten; vor allem vor dem Hintergrund, das das Thema in anderen Ländern bisher nur wenig Beachtung und Diskussion gefunden hat.

 

Aber was hat die Unternehmen im Einzelnen bewogen die Charta zu unterzeichnen?

Für die Initiatoren der Charta der Vielfalt, Daimler, Deutsche Bank, Deutsche Telekom und BP gab es zwei Gründe, die Charta zu initiieren. Erstens sollte ein Zeichen gesetzt werden, dass Vielfalt und Wertschätzung in den Unternehmen eine wichtige Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg spielt und aktiv praktiziert wird. Das Instrument der Charta wurde deswegen gewählt, um das Thema "Vielfalt" nach dem Domino-Effekt zu verstärken und in die deutsche Unternehmenslandschaft hineinzutragen. Und zweitens sollte über die Charta ein konstruktiver Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmen angeregt werden, mit welchen unterschiedlichen Ansätzen Diversity erfolgreich umgesetzt werden kann.

Beeindruckend sind die Beispiele, die Unternehmen im Rahmen Ihrer Berichterstattung über ihre Aktivitäten beigetragen haben. Und dies betrifft nicht nur Großunternehmen, die häufig spezielle Abteilungen und Programme zu dem Thema eingerichtet haben, sonder ebenso von kleineren und mittelständischen Unternehmen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten sich dem Thema Vielfalt angenommen haben.

Die Idee der Diversity Charta in Deutschland, die sich an das gute Beispiel der Charta in Frankreich angelehnt hat, hat auch in anderen Ländern Europas für Aufmerksamkeit gesorgt. Viele internationale Unternehmen haben die Charta der Vielfalt in Deutschland unterzeichnet und auch in ihren Heimatländern ähnliche Initiativen gestartet. Aktivitäten zeichnen sich zurzeit in den Ländern Spanien, Österreich, Niederlande und Italien ab. Auf die weitere Berichterstattung hierzu kann man gespannt sein.

 

Erfolgsfaktoren der Charta der Vielfalt

Dieser Erfolg der Charta lässt sich in den folgenden fünf zentralen Erfolgsfaktoren zusammenfassen:

1. Es handelt sich um eine Initiative der Wirtschaft, also kein Programm, das aus politischen oder sozialen Gründen heraus gestartet wurde, sondern aus eigener Überzeugung der Unternehmen heraus.

2. Es ist ein freiwilliges Selbstbekenntnis jedes Unternehmens, so dass die Unterzeichnung aus eigener Überzeugung heraus geschieht.

3. Die Unterstützung von Bundeskanzlerin zur Initiierung der Charta hat die Glaubwürdigkeit und die Notwendigkeit der Maßnahme maßgeblich unterstützt und die Bedeutung der Attraktivität für den Standort Deutschland deutlich gemacht.

4. Der breite Ansatz der Charta der Vielfalt schließt alle Unterscheide ein und findet somit breite Unterstützung. Jeder Fokus auf eines der Merkmale hätte den gesamten Ansatz geschwächt und die Gefahr einer Aufsplittung mit sich gebracht.

5. Neben der eigentlichen Unterzeichnung hat der Austausch von guten Praxisbeispielen bei den Unternehmen großen Anklang gefunden. Nicht nur die Zeremonie der Unterzeichnung und persönlichen Übergabe hat beeindruckt, sondern ebenso der Austausch mit aneren anwesenden Unternehmensvertretern.

 

Ausblick. Vielfalt bleibt ein zentrales gesellschaftliches und wirtschaftliches Thema

Vor diesem Hintergrund bleibt es spannend, wohin sich die Charta der Vielfalt in Deutschland entwickeln wird. Auch wenn mit Spannung auf die Entwicklung der Zahlen der Unterzeichnenden gesehen wird, ist dies nicht die einzige Erfolgskennziffer. Nun kommt es zunehmen darauf an, wie das Thema Vielfalt und Wertschätzung in Unternehmen umgesetzt wird und welche guten Beispiele bekannt werden.

Also unabhängig davon, wie sich die Zahl der Unterzeichner der Charta der Vielfalt entwickeln wird: Aufgrund der zunehmenden Internationalisierung und des demografischen Wandels wird das Thema "Vielfalt und Wertschätzung" nach wie vor ein aktuelles Thema für uns in Deutschland und Europa bleiben und wir müssen uns weiterhin damit auseinandersetzen und die Chancen nutzen, bevor uns die Entwicklung der Fakten eingeholt.

 

 

Dieser Beitrag wurde zunächst im Rahmen des Online-Dossiers "Politics of Diversity" der Themenwebsite Migration-Integration-Diversity erstellt. Wir danken der Redaktion der Heinrich-Böll-Stiftung für die Freigabe des Beitrags.

Seitenanfang